Witzenhausen, Donnerstag, 2. Juni 2016, 19:25 Uhr, ich habe einen Parkplatz gefunden und laufe die wenigen Meter zum nahegelegenen Kino „Capitol“ - und ich bin spät dran. 19:30 Uhr beginnt der Film meiner Wahl: TOMORROW – Die Welt ist voller Lösungen (frz. Originaltitel „Demain“).
Kein Science-Fiction-Film mit Alien-Invasion, kein Superheld-rettet-die-Welt-Drama und keine Zombieapokalypse im Kino-Format. Ich will mir einen Dokumentarfilm ansehen! Einen Film zu Themen der Groschenhexe, über Probleme, die wir alle kennen und haben: Umweltverschmutzung, schwindene Ressourcen, Klimawandel, soziale Ungerechtigkeit, „Geld regiert die Welt“, verbesserungswürdige Schulbildung usw. Das krasse an dem Film: es geht um Lösungsansätze für diese Probleme!
Wann war ich das letzte Mal im Kino und habe mir bei Popcorn erklären lassen, wie man die Welt rettet? Nicht vor Zombies, Aliens oder machtgierigen Möchte-gern-Weltherrschern – vor uns, uns zerstörerischen Menschen, die wir „Mutter Natur“ mit Füßen treten? Noch nie! Und ihr?
19:26 Uhr, vor dem Kino: Ich sehe Menschen vor dem Eingang stehen und frage mich vorrauf die warten. Sekunden später weiß ich es: Sie stehen an! Die Schlange geht bis nach draußen! Zugegeben, nicht jeder davon will auch „Tomorrow“ ansehen, zeitgleich läuft im zweiten Kinosaal ein Superhelden-Film, doch die meisten, sind aus dem gleichen Grund hier wie ich. Als ich mich in der Warteschlange bis zur Tür vorgearbeitet habe, stehen noch immer 15 Menschen vor mir an und ich werde nervös. Hoffentlich fangen die mit dem Hauptfilm erst an, wenn wir alle drin sind.
19 Uhr irgendwas, jedenfalls schon nach halb acht, im Kino an der Kasse: endlich bin ich an der Reihe, habe blitzschnell mein Ticket in der einen Hand (Preis 8€), die größte Popcorn-Tüte des Hauses in der Anderen (für 5€ – dafür bekomme ich in anderen Kinos die kleinste Popcorntüte!) und bahne mir dann meinen Weg zur Einlasskontrolle. Ein paar Schritte- und ich bin drin, Kino 1: noch laufen die Film-Trailer! PUH! GESCHAFFT! Jetzt schnell einen Platz suchen (freie Platzwahl), der Kinosaal ist (gefühlt) mindestens halb voll. Handyton aus. Popcorn naschen und los gehts…
ca. 19:45 Uhr: Die Trailer sind vorbei. Das Licht geht an. Es gehen zwei junge Leute von der Jugendorganisation KommUnity nach vorne und begrüßen die Anwesenden. Die Kinovorstellung am heutigen Abend endet nicht mit dem Hauptfilm, es schließt sich eine Disskussionsrunde an, das 79. Witzenhäuser Filmgespräch, und das Capitol Kinoteam, sowie das Jugendforum KommUnity, Mitgliedern des Kreisschülerrats und des Jugendrats Witzenhausen laden dazu ein. Für die Schüler gibt es aber auch noch einen zusätzlichen Anreiz, neben dem Super-Aktions-Eintrittspreis von 2€ gibt es noch eine Verlosung nach dem Filmgespräch. Ich bin entschlossen, bis zum Schluss da zu bleiben, denn auch wenn ich kein Schüler (mehr) bin, interessiert es mich, was die jungen Leute zu dem Film zu sagen haben! Wenn ich um mich schaue sehe ich viele Jugendliche und junge Erwachsene, da komme ich mir mit meinen 31 Jahren ja schon fast alt vor. Unter den Kinobesuchern sind aber auch noch Ältere, das Publikum umfasst offenbar alle Generationen! Das ist gut! Es begrüßen noch weitere Veranstalter das wartende Publikum, dann … Spannung. Es geht los!
ca. 20 Uhr bis 118 Minuten später: Stille im Raum, während der Film uns auf eine Reise um die Welt entführt, Projekte in verschiedenen Ländern zeigt und sich den Themen Landwirtschaft, Energie, Wirtschaft, Demokratie und Bildung widmet. Manche Beispiele kenne ich schon aus Büchern wie „Einfach. Jetzt. Machen“ von Rob Hopkins oder „Jedem sein Grün!“, sie aber nun in bewegten Bildern zu sehen ist etwas ganz anderes, eindrucksvoller. [Groschenhexes Buchempfehlungen zum Thema des Films]
Zu viel will ich vom Film-Inhalt nicht verraten – schaut ihn euch selber an! Aber eines kann ich vorwegnehmen: an Ende wird der Zuschauer aufgefordert selbst aktiv zu werden und wer den Film sieht, wünscht sich genau das!
Loslegen.
Anpacken.
Die Welt verbessern!
ca. 22 Uhr: Der Film ist vorbei, das Licht an und vor der Leinwand stehen fünf junge Menschen und werden zu ihren Eindrücken befragt. Auch wenn jeder den Film individuell wahrgenommen hat, gemeinsam ist doch allen, dass sie beeindruckt sind, ihnen „die Augen geöffnet“ wurden für Probleme, die sie sonst eher ausblenden oder noch gar nicht intensiv wahrgenommen haben. Gleichzeitig sehen sich aber alle inspiriert und ermutigt, können teilweise gar nicht verstehen, warum „sie noch in ihrem Sitz sitzen und nicht rausgehen, um loszulegen“.
Das Engagement sollten sich die Schüler erhalten, denn nur wenige Tage später startet ein Projekt: TODAY. Die Kulturfabrik e.V. medienWERK Eschwege und das Jugendforum KommUnity wollen einen eigenen Film drehen. Über die Thematik auf regionaler Ebene! Ich wünsche allen Beteiligten viel Erfolg!
Ich habe das Gefühl, das insbesondere die Schüler und frischen Schulabsolventen der Film wachgerüttelt hat, einen anderen, neuen Weg für die Zukunft einzuschlagen. Für mich (und offenbar einige andere „Erwachsene“) ist der Film eher eine Bestätigung – Ja, ich gehe den richtigen Weg! Und ich bin nicht allein! – und eine Inspiration für (neue) Vorhaben.
Fazit der Film-Diskussion: Wir können es besser machen, müssen aber aktiv werden, es auch bleiben und uns vernetzen, die Projekte verbinden, Menschen zusammenbringen, Kontakte knüpfen und das regional und global.
Als ich das Kino verlasse (noch während der Gewinnspiel-Preis-Übergabe nach dem Filmgespräch) sind noch viele Menschen im Kinosaal und diejenigen, die wie ich nach Hause entschwinden, wirken freudig erregt, nachdenklich oder sind in Gespräche vertieft.
Der Kinoabend war aus meiner Sicht ein tolles Erlebnis, in einem schönen, kleinen Kino mit passender Atmosphäre. Regionale Unternehmen fördern und unterstützen war eine der vielen, vielen, kleinen Botschaften des Filmes und genau das habe alle Kinobesucher heute abend bereits getan: das kleine, lokale Kino besucht, damit unterstützt und gezeigt, dass es auch sehenswerte Filme jenseits des Mainstream gibt!
DANKE AN DAS CAPITOL KINO WITZENHAUSEN, DASS IHR DEN FILM GEZEIGT HABT!
♦ Nachtrag: Am 14. Juni 2016 – also keine 2 Wochen später – wurde das Capitol Kino Witzenhausen mit dem 1. Preis für „Nachhaltiges Kino“ ausgezeichnet – Herzlichen Glückwunsch!
♦ Nachtrag: Der Film lief monatelang erfolgreich in den deutschen Kinos. Seit Oktober 2016 ist er auf DVD/Blu-ray und als VoD erschienen.
Buchempfehlungen (passend zum Film „Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen):
- Jedem sein Grün : Urbane Permakultur : Selbstversorgung ohne Garten
(von J. Anger/I. Fiebrig & M. Schnyder)
Keine Ahnung was Permakultur ist? Das Buch hilft dir auf die Sprünge, ist total inspirierend und zeigt viele kleine und große Ideen, die man sofort umsetzen möchte. Es werden zahlreiche größere und kleinere Projekte rund um den Globus vorgestellt – auch einige die im Film „Tomorrow“ vorkommen. Was man aus der Lektüre mitnimmt: Man braucht nicht viel um loszulegen! Ein paar Samen und los geht es! Einfach, nachhaltig, mit Ansteckungsfaktor!
Das Buch kann man auf Amazon.de ansehen und bestellen oder man geht noch besser zum lokalen Buchhändler seines Vertrauens. - Einfach. Jetzt. Machen! : Wie wir unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen
(von Rob Hopkins)
Rob Hopkins gilt als Begründer der Transition-(Town-)Bewegung und ist auch im Film (sowie Trailer) „Tomorrow“ mit seiner Heimatstadt Totnes (Großbritannien) zu sehen und zu hören.
Das Buch zeigt, wie eine Transition-Bewegung „in Gang“ kommt, welche Möglichkeiten man hat und was viele Ortschaften rund um die Welt bewegt und auf die Beine gestellt haben. In einem extra Kapitel sind auch ein paar Transition-Orte in Deutschland kurz vorgestellt. Wer durch „Tomorrow“ angeregt gerne aktiv werden möchte, findet hier eine Anleitung.
Das Buch gibt es natürlich auch auf Amazon.de, aber wer gleich mitdenkt, läuft schnell zum Buchladen um die Ecke!
- Arm aber Bio! Mit wenig Geld gesund, ökologisch und genussvoll speisen. Ein Selbstversuch
(von Rosa Wolff)
Arbeitslos, Geringverdiener, Rentner, Student, Großfamilie mit wenig Einkommen – es gibt viele Menschen auch in Deutschland die „jeden Cent umdrehen“ und nicht wissen, wie sie von wenig Geld gut essen und trinken sollen! Aber es geht! Rosa Wolff hat es ausprobiert und einen Monat lang versucht, mit dem Geldbetrag für Essen und Trinken auszukommen, der einem Hartz-IV-Empfänger zugebilligt wird. Dabei wollte sie aber sich „bio“ ernähren – ohne eigenen Gartenanbau im (teuren) München. Ihren Erfahrungsbericht (mit Rezepten) gibt es als Buch beim Buchhändler (aber für alle Lauffaulen natürlich auch auf Amazon)
- Ökodörfer weltweit: Lokale Lösungen für globale Probleme
(von Kosha Anja Joubert und Leila Dregger)
Überall auf der Welt suchen Menschen nach Lösungen und dieses Buch gibt einen tollen Einblick in die Vielfalt der einzelnen Ökodörfer! Nachhaltig, sozial, ökologisch sieht nicht immer gleich aus in der Praxis, denn jeder Standort ist anders, Gesellschaften verschieden, Menschen individuell. Aber selbst mit einfachsten Mitteln lässt sich viel bewirken! Kaum zu glauben? Lust, sich inspiriren zu lassen? Dann lest! Holt euch die Lektüre in jedem gut sortieren Buchladen, bestellt sie dort oder online. Auf Amazon könnt ihr übrigends mit der Funktion „Blick ins Buch“ (oben nebem dem Foto vom Buch) auch schon etwas im Buch „blättern“ – Für alle die nicht Abwarten können ).